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DIE DEPORTATION
(Vorwort von Dekan Univ.-Prof. Dr. Karl Stuhlpfarrer)

Am 14. April 1942 wurden sie aus ihren Häusern herausgeholt. Es blieb ihnen nur kurze Zeit, das Wenige mitzunehmen. Am nächsten Tag ging es weiter. Mehr als tausend Kärntner Slowenen und Sloweninnen standen auf den Listen, die festlegten, wer von einer Stunde auf die andere vertrieben wurde. Es waren die gleichen Polizeimänner in Aktion, die schon die Deportationen im deutsch besetzten Gebiet an der Save durchgeführt hatten. Erste Station, das Lager in Klagenfurt, mehr als neunhundert von dort dann in die über ganz Deutschland verstreuten Lager der SS, der Volksdeutschen Mittelstelle. Den Deportierten waren diese Lager unter Aufsicht der SS ihr erster Zwangsaufenthalt, Umerziehung und Arbeit für Deutschland das erste Ziel. Später dann war die Gegend von Lublin für sie bestimmt, dort wo zur gleichen Zeit Odilo Globocnik die Juden ermorden ließ. Dort sollten sie Zwangsarbeit leisten, der Schulen und Bildung beraubt. Wer Widerstand leistete, sich dem nationalsozialistischem Diktat in den Lagern nicht beugte, wurde gnadenlos in die Konzentrationslager überstellt.

Die Deportation aus Kärnten vom April 1942 war weder der Anfang noch das Ende einer Politik, das Slowenische entweder aus dem Land zu entfernen oder jene, die sich Sprache und Lebensart nehmen ließen, in die nationalsozialistische Volksgemeinschaft zu zwingen.

Diese jahrzehntelange Politik ging nicht ungebrochen und nicht in gleicher Intensität vor sich. Sie änderte sich, passte sich den Zeitläuften an, nutzte immer wieder andere manchmal friedlichere, manchmal gewalttätigere Instrumente. Aber eigentlich hatte es in Kärnten schon in den Zeiten der Habsburgermonarchie begonnen. Jahr für Jahr drängten die im Wahlrecht und politischem Einfluss durch ihre Wirtschaftskraft und soziale Stellung bevorzugten Gruppen das Slowenische aus der Öffentlichkeit in Politik, Verwaltung und Alltag. Gerade die Schule hatte dabei eine entscheidende Rolle. Dort wo es in deutscher Sprache als selbstverständlich galt, durch die Schule zu Kenntnis und Gebrauch einer überregionalen Schriftsprache zu kommen, um den nationalen Zusammenhalt zu festigen, da war dem Slowenischen das gleiche nicht ebenso zugestanden. Und Zweisprachigkeit für alle Leute in Kärnten stand schon gar nicht auf dem Programm. Ganz im Gegenteil, nicht wenige Slowenen widersetzten sich nicht der Predigt vom höheren Werte des Deutschen. Zuerst in Amt und innerer Verwaltung, dann auch öffentlich und immer stärker fordernd: das Windische als eigene Sprache war geboren, der Windische folgte nach.

Es ist wahr, Martin Wutte, von manchen Kärntnern, man weiß nicht recht aus welchen Gründen, noch immer hoch gelobt, ist diese Spaltung nicht gelungen. Er hat sie nur in seinen Schriften verbreitet und allgemein hoffähig gemacht. Denn Wutte gehörte zu den Hauptideologen einer deutschnationalen Politik in Kärnten, die den Kärntner Slowenen und Sloweninnen höhere Bildung in der eigenen Sprache auszureden oder gar zu verweigern suchte und später allezeit bereit war, den nationalsozialistischen Machthabern im Lande zu dienen, sich von ihnen feiern zu lassen und ihnen bis zum Schluss in ihren glatten politischen Wendungen zu folgen. War Wutte der Mann der Theorie, so war Maier-Kaibitsch der Mann der Praxis. Ihm kommt in politischer Stellung und Aktion bei der Deportation eine besondere Funktion zu. Denn auch er hatte schon zuvor seine Erfahrungen machen können. Die Ansiedlung von Reichsdeutschen im Kärnten der Kärntner Slowenen war sein Werk, finanziert mit nicht wenig Geld aus Deutschland.

Dann übernahmen die Nationalsozialisten auch in Österreich die Macht. Jugoslawien als selbständiger Staat schützte noch die Bewahrung slowenischer Eigenart in Kärnten, aber die Volkszählung 1939 stigmatisierte schon den harten Kern der Gruppe. Für die, die glaubten, im nationalsozialistischen Staat als slowenische Gruppe überdauern zu können, schienen vorerst Chancen recht günstig, jedenfalls nicht weniger schlecht als für die übrigen Leute in Kärnten, wenn sie nur nicht politische Gegner waren oder als solche galten. NS-Deutschland hatte Rücksicht auf Jugoslawien zu nehmen, als Wirtschaftspartner, aber auch auf die möglichen Auswirkungen auf die deutschsprachige Minderheit in Jugoslawien. Deutschlands langfristiges Ziel war es ja, Jugoslawien in das System seiner Satellitenstaaten einzubinden.

Der Überfall auf das widerspenstige Jugoslawien änderte die Situation radikal. Ungarn nahm sich ein Stück, Bulgarien desgleichen, den Löwenanteil am jugoslawischen Staat nahm aber Italien und Deutschland unter direkte und indirekte Kontrolle, nachdem ein eigener kroatischer Satellitenstaat gebildet worden war. Ljubljana wurde nun Lubiana, Maribors Rückkehr zu Marburg umrahmte Fidelio, um die Eisenbahn kümmerte sich Villach.

Die NS-Granden in Graz und Klagenfurt, die nun als Chef der Zivilverwaltung Hitler direkt unterstanden, hatten damit einen Wunsch erfüllt bekommen, der schon seit den dreißiger Jahren in ihren Köpfen herumgeschwirrt war, seit dem »Anschluss« Österreichs 1938 ihre Hoffnungen bestärkt hatte und den sie 1940 in Plänen zur Inbesitznahme slowenischen Gebietes finalisieren hatten lassen. Eilfertig unterstützten sie ihren »Führer« schon seit 1939 in seiner Freundschaft mit Italien unterstützt und Land für die Südtiroler und Kanaltaler Bevölkerung gesucht, die bereit war aus Italien wegzugehen. 1941 folgten die Gottscheer.

»Machen Sie mir dieses Land wieder deutsch«, das münzte Adolf Hitler in seiner Ansprache im April 1941 zwar direkt auf die eben an NS-Deutschland angegliederten slowenischen Gebiete Jugoslawiens, aber klarerweise, innerhalb des größeren Projekts der Eindeutschung dieser Gebiete würde eine slowenische Insel in Kärnten nicht weiter bestehen können.

In skrupelloser Konsequenz gingen die neuen nationalsozialistischen Machthaber vor. Wer nicht das nationalsozialistische Deutschtum annehmen wollte, dem drohte Diskriminierung, Terror und Tod. Slowenische Intellektuelle, vor allem die Lehrerinnen und Lehrer, zwangen sie nach Kroatien und Serbien. Dem folgte die totale Räumung ganzer Landstriche, um Platz für die Gottscheer zu machen. Aber auch Deutsche aus der Bukowina und der Dobrudscha, aus Wolhynien und Bosnien, aus Ljubljana und Serbien waren unterzubringen. Ein Gebiet war deutsch zu machen, das nach Ansicht führender NS-Wissenschaftler ja ohnehin schon »deutscher Kulturboden« war, wo, ganz Martin Wutte folgend, eben »Windische« wohnten, die nur mehr durch entsprechende Erziehung oder Behandlung dem Deutschtum endgültig zuzuführen wären.

Die Bevölkerung reagierte unterschiedlich. Die einen warteten ab, die anderen glaubten, durch Zusammenarbeit besser zu überleben oder gar sich Vorteile zu verschaffen, indem sie SS und Wehrmacht aktiv unterstützten. Aber es gab auch Chancen und Möglichkeiten unterzutauchen, sich vorübergehend den neuen Machthabern in der einen oder anderen Weise zu entziehen. Und dann waren da schließlich auch alle, denen keine Wahl blieb, aus politischer und ideologischer Überzeugung oder aus rassistischer Zuordnung durch die Deutschen: Juden und Roma. Die nationalsozialistischen Anthropologen hatten viel zu tun. Was in Kärnten an einem Ort begonnen hatte, traf nun die ganze Bevölkerung im besetzten Gebiet. Politische und rassistisch gemessen und eingeordnet mussten die eindeutschsfähigen slowenischen Männer zur Wehrmacht, die slowenischen Schutzangehörigen nicht selten in Arbeitserziehungslager zur Zwangsarbeit, z.B. an die Drau. Zehntausende wurden deportiert, das Slowenische schien verachtenswert geworden.

Kaum war die Deportation in der slowenischen Steiermark beendet, kam Kärnten an die Reihe, zuerst in großer Gruppe 1942 im April, dann immer wieder einzeln.

Die meisten sahen schweigend zu, nicht wenige profitierten, die wenigsten hatten Mut zu Protest. Da war der Bischof, den Himmler rüde zurechtwies; da sorgten sich die Militärs um die Kampfkraft und den Kampfeswillen ihrer Männer; da half man auch aus Sorge um die Landleute, gleich welcher Sprache, und gewann damit zugleich die immer seltener werdenden landwirtschaftlichen Arbeitskräfte.
Die Folgen der Deportation sind bis heute noch zu erkennen. Partisanenkampf und Streit um die Grenze verdanken sich dieser nationalsozialistischen Politik. Die tiefgreifende Spaltung der Geschichtskultur und die Dauer des wechselseitigen Misstrauens sind Ergebnis einer Vergesslichkeit, die Verschweigen dem Erinnern vorzieht. Aber die Last der Vergangenheit ist nicht abzuschütteln. Die Folgen sind noch nicht ausgestanden. Was die Nationalsozialisten den Slowenen und Sloweninnen angetan haben, ist wie eine tiefe, noch nicht geheilte Wunde, die auch die slowenische Gruppe selbst nicht unberührt ließ und lässt. Die Wunde wird von jenen offengehalten, die die Deportation nicht wahrhaben wollen, sie verschweigen oder verharmlosen und damit ganz Österreich in seinem Verhältnis zum kriminellen NS-Regime in Geiselhaft nehmen.

Heute sind Slowenien und Österreich gleichberechtigte Partner in der Europäischen Union. Die Chance die Wunden zu heilen sind größer geworden. Man darf sie nur nicht verstecken oder so tun als gäbe es sie nicht. Sie nicht in der Vergangenheit ungeschehen, sondern in Zukunft ungeschehbar zu machen. Das ist die eigentliche Aufgabe, der wir uns weiter unterziehen müssen. Da hilft kein Jammern und kein Klagen, wir müssen einfach die Wahrheit sagen.