Felix Orsini-Rosenberg
über die Architektur der Erweiterungsbauten der Universität Klagenfurt

Zur Vorgeschichte gehört die Standortfrage dieser Universität. Ende der 60er Jahre hat es dazu eine Diskussion gegeben, mit dem Wunsch, die Uni nahe dem Stadtzentrum zu errichten. Die Gespräche fanden in der Galerie Hildebrand, der damals einzigen kulturkritischen Institution des Landes, unter reger Beteiligung vor allem der Grazer Studentenschaft (u. a. Gerfried Sperl, heute Redakteur beim STANDARD) statt. Aus dieser Zeit stammt auch ein Projektentwurf der Architekten Jantsch, Kraiger und Stramitzer, der eine Überbauung des Klagenfurter Bahnhofareals vorsah, mit dem Ziel, die Urbanität der Stadt durch das studentische Leben zu heben. Dazu kam es jedoch nicht. Realisiert wurde der sogenannte Vorstufenbau von Architekt Roland Rainer - bis heute die anspruchvollste Architektur in der Gesamtanlage. Friedrich Achleitner schreibt dazu in seinem Architekturführer: "Ein multiplikales Fertigteilsystem erlaubt eine architektonische Differenzierung, während der weitere Ausbau der technoiden Vulgär-Ästhetik des Fertigteilbaues erliegt." Der aktuelle Erweiterungsbau ist leider eine Fortsetzung dieses architektonischen Mittel-Untermasses.
"Architektur" ist ein komplexer Begriff: "Alles ist Architektur", sagt etwa Hollein. Somit ist Architekturkritik ein umfangreiches Unterfangen mit vielen Kriterien, wie: Weg, Raum, Licht, Materialien, Konstruktion, Kommunikation, Funktion, Kosten, Maßstab, Stimmigkeit, etc.
Diese Architekturkritik basiert auf der Gegenüberstellung des Erweiterungsbaues der Universität Klagenfurt und dem RESOWI-Bau der Universität Graz. Beide Objekte wurden etwa zur gleichen Zeit geplant: Der Erweiterungsbau im Süden der Uni Klagenfurt ist ein langer, gebogener Gebäudeteil (Gummischlauch), verbunden durch verglaste Brücken über einem Unterdurchflußraum. Die Art, wie Hörsäle da eingebaut wurden, ist mangelhaft. Besonders der monstergroße Hörsaal A nimmt sich aus wie ein Elefantenfuß. Daneben wirkt die Windfang-Eingangssituation wie ein abgestelltes Schirmmützchen.
Nun zum Bau der RESOWI in Graz: Achleitner spricht in diesem Zusammenhang von Kettengliedern in einer spannungsvollen Mischung von Regel und Abweichung, das heißt, das von Architekt Eisenköck geplante straffe System wurde von den schwingenden und beweglichen Bauteilen des Architekten Domenig durchsetzt. Ein exemplarisches Ergebnis einer partnerschaftlichen Entwurfsarbeit. Zur Verbildlichung: Gespannte Kettenglieder, dazwischen eingeflochten Florales, Blumiges, in der Mitte als Herzzentrum, eine Art Harfeninstrument, die Piazza, Cafeteria.
Nichts davon in Klagenfurt, ein müder, gebogener Gummischlauch. Mittig ein schwerer Fremdkörper, der Hörsaal Elefantenfuß. Während in Graz die Struktur ablesbar ist, ist da nichts in Klagenfurt. Was in Klagenfurt sofort negativ auffält, ist diese Art von Brücken. Ein wenig auf Stützen gestellt, ein bißchen freitragende Brückenkonstruktion, in sehr eitler, detailreicher Weise ausgeführt (Konstruktion als Dekoration). Während diese Stahlspannkonstruktion innerhalb der Glasbrücken liegt, lastet dieselbe über der Cafeteriabrücke wie eine Bahnoberleitung. Dieser Gebäudeteil, Brücke begleitet durch Nutzung, ist an sich positiv zu vermerken (Ponte Vechio in Florenz).
Was bei einer Begehung sofort ins Auge sticht, sind diverse Details. Ein total verglaster Lift mit Durchsicht auf das ganze technische Gestrüpp. Ein Panoramalift ohne Panorama. Die verglasten Geländer sollten durchsichtig und leicht sein, wirken jedoch massig durch die Art der Konstruktion. Dann gibt es wieder gespannte Seile. Neben einem Stiegenhaus überrascht ein Restraum mit engteiligen Holzfenstern, alles in allem ein Durcheinander verschiedenster Materialien, wie in einem Warenkatalog. Es entsteht der Eindruck, daß hier verschiedene Planer nacheinander gearbeitet haben.
Der große Hörsaal, wo wir uns befinden, strotzt durch Übergröße im Vergleich zu den anderen. Dagegen haben die fünf Hörsäle im RESOWI Graz ein kontinuierlich steigendes Volumen.
Hier sehen Sie Akustikflächen als Dekoration verwendet. Die Akustik von Räumen zu gestalten ist eine Kunst, meist wird sie zu Tode gelocht. Zur Belichtung mit natürlichem Licht ist zu sagen: sowohl die alte Anlage als auch der Neubau in Klagenfurt beruhen auf dem Prinzip des Mittelganges, am Ende mit blendender Stirnbelichtung.
Beim RESOWI-Bau sind am Dach große Lichtkuppeln angebracht, wodurch die Mittelzone bis ins Erdgeschoß Tageslicht bekommt. Eine hervorragende Lichtführung hat das Zentrum, die Piazza. Nichts davon gibt es in Klagenfurt. Zusatz: Eine konsequent klare Architektur hat in Klagenfurt nur der Müllplatz.

Ein Kriterium für die Qualität von Architektur ist auch das Bauwerk im Zustand einer Ruine. Sie alle kennen die Schönheit antiker Ruinen, diverser Burgen, frühindustrieller Anlagen (z. B. die Heft in Hüttenberg). Allerdings hinterließ der Campanile von Venedig nach seinem Einsturz nur einen Ziegelhaufen am Markusplatz. Das RESOWI in Graz würde entsprechend seiner Struktur Brücken und Pfeiler hinterlassen, in Klagenfurt hingegen gäbe es einen durchmischten Techno-Schutt, möglicherweise würden irgendwo die genannten Holzfenster überraschend auftauchen.