Manuel Dragan | Schlittenhund  
 
Manuel Dragan startete seine Berufslaufbahn im Stadttheater Klagenfurt. Nach unzähligen Charakterrollen (Thisbe, Pettersson, Claude Frollo) wechselte er ins Tierfach. Als Rabe Abraxas in Die kleine Hexe gab er dort sein Debüt. Da er andere Menschen gerne mitzieht, erklärte er sich als Schlittenhund bereit die Kärntner Entdecker treu zu begleiten.
www.manueldragan.at
 
Kärntner UFO
Ein Tag in der nahen Zukunft. Kärnten. Unbekannter Ort.
Tief unter dem letzten verbliebenen Hangar des Klagenfurter Flughafens, in einem geheimen Forschungszentrum des Visionären Institutes: Ufo, freie Forschung, zusätzlich auch Carinthische Krampusgruppe, kurz »VIFFZACK« genannt werkelte Sepp Tschelisnig seit knapp zwei Tagen ohne Unterbrechung. Dem technischen Leiter standen die Schweißtropfen auf der Stirne. Nicht nur wegen der drückenden Hitze so tief unter der Erde, die Klimaanlage wurde aus Kostengründen nur alle zwei Stunden für exakt 7 Minuten laufen gelassen, sondern auch wegen der technischen Probleme an Objekt RNL-14 7. Von Anfang an hatte es Schwierigkeiten gegeben. Weniger aus technischer Sicht, vermehrt waren es Probleme mit den Launen des leitenden Dreiergremiums. Es bestand aus zwei Frauen und einem Mann. Da sich der Mann benachteiligt und von den zwei Frauen bedroht fühlte erhob er ständig Einspruch gegen die Anordnungen der beiden anderen Geldgeber. Wenn das nichts nützte versuchte er auf anderen Wegen seinen Willen durchzusetzen. Seine letzte Tat in diese Richtung war, dass er heimlich die Farbe für die Lackierung von RNL-14 7 ausgetauscht hatte. Dies wurde erst entdeckt als das Objekt aus der Lackierkammer kam und statt tarnendem Schwarzgrau in Blaumetallic glänzte, »Weil das viel geiler Aussieht«. Da er durch gültige, und viel Geld zusichernde, Verträge gebunden war, war man jedoch auf ihn angewiesen und fluchte und schimpfte nur hinter seinem Rücken über ihn. Auf die Zusage die Armaturen in dieser »geilen« Farbe zu genehmigen bekam der Prototyp, nach mehreren Tagen Verzögerung, doch noch seinen notwendigen Tarnanstrich.
»Ohne diese Kinderei«, dachte sich Sepp Tschelisnig gerade, »würde ich jetzt die Motoren starten und mein Baby würde die ganze Genialität ihres Erfinders zeigen können.« Und damit hatte er Recht. RNL-14 7 war absolut neuartig. Sepp Tschelisnig hatte jahrelang geforscht um die optimale Form für flugfähige Objekte zu finden. Vor exakt 4 Monaten hatte er den Durchbruch. Wenige Tage später war die Produktion bereits am Laufen und das Dreiergremium, aber auch die anonymen Hintermänner harrten begierig auf den Jungfernflug. Wenn Tschelisnig Erfolg haben würde bedeutete das nicht nur massenhaften Gewinn durch die Vermarktung, sondern auch den Fortbestand, ja mehr noch, die Aufwertung des Klagenfurter Flughafens. Alle Welt würde, selbstverständlich per Flugzeug, anreisen um die Fertigungshallen zu besuchen, einen Probeflug zu genießen und danach hochdotierte Verträge zu unterzeichnen. So spekulierten sie, während sie durch die große Glasfront teils persönlich, teils per Videokamera die letzten Handgriffe von Sepp Tschelisnig beobachteten.
»Ich habe mich schon immer gefragt wofür das RNL-14 7 eigentlich steht. Was soll das heißen?« fragte der Männerquotenanteil des Dreiergremiums laut in die Runde. Stille. Er schaute sich um. Die zwei Frauen starrten ihn entgeistert an. »Das wissen sie nicht?«, mit einem mitleidigen Lächeln setzte eine der beiden Frauen zur Erklärung an. »Nein, sonst hätte ich nicht gefragt.« Beleidigt verschränkte der Mann die Arme vor seiner Brust. »Schauen sie einmal durch die Glasscheibe. Was sehen sie dort?« Er schmollte noch immer. Darum fuhr sie fort: »Ein Flugobjekt in Form eines Gugelhupfes. Dies ist die perfekte und aerodynamischte Bauweise für ein Flugobjekt. Der Meilenstein des 21. Jahrhunderts. Und wie nennt man bei uns den traditionellen Kuchen in dieser Form? Er ist mit Rosinen und Zimt gefüllt,« fügte sie genießerisch hinzu. »Reinling natürlich,« blaffte er zurück. »Und?« Er verstand nicht worauf sie hinaus wollte. »Also,« es fiel ihr immer schwerer Haltung zu bewahren, »Ein, die weltveränderndes, Flugobjekt muss einen wichtigen Namen haben. Wir können unsere bahnbrechende Erfindung doch nicht Reinling 1, oder Reinling 2000 nennen. Das wäre lächerlich. – Wir wollten aber doch den Namen verwenden. Die Zahl 14 steht für den 14. Buchstaben im Alphabet, für N. Die 7 für G.« – »Häh? Was soll denn RNLNG heißen?« Sie ignorierte seinen Zwischenruf und fuhr fort: »Entfernt man aus dem Wort Reinling alle Vokale bleibt genau das übrig: RNLNG. Mit den Zahlen haben wir den Namen etwas futuristischer gestaltet. Als wir erfuhren, dass Elon Musk seinen Sohn »X Æ A-Xii« nannte, mussten wir handeln. Wir konnten nicht zulassen, dass Herr Musk damit allein in die Geschichte eingeht. Wir werden ihn übertrumpfen!« Ungläubig starrte er sie an. Er wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen als es in den Lautsprechern knackte und die Stimme von Sepp Tschelisnig zu hören war: »Ich habe die letzten Adjustierungen beendet und wir können sofort mit dem Jungfernflug starten!«
In der Fertigungshalle spürte Sepp Tschelisnig wie sich die Aufmerksamkeit aller auf ihn richtete. Mit freudiger Erregung setzte er sich auf den Pilotensitz, kontrollierte nochmal die Armaturen und drückte den Startknopf.
Mit einem leisen Surren sprangen die Triebwerke an. Er genoß das sanfte Vibrieren seines Babys. Er spürte die leichte Nervosität als er die rechte Hand auf den Schubregler legte. Er fühlte sich unglaublich als er mit der Linken leicht am Lenker zog. Er stellte sich ihre staunenden Gesichter vor, als er lautlos abhob. Er explodierte fast innerlich, als er den Schubregler nach vorne drückte. Es war vollbracht!
Nichts tat sich. Wie verrückt drückte er den Schubregler hin und her. »A so a Dreckskrempl!« wütend riss er am Lenker herum. »Wos is denn?« Sepp Tschelisnig verstand die Welt nicht mehr. Alles war von ihm persönlich doppelt kontrolliert worden. Planlos irrte er durch die Kommandozentrale. Auf einmal blieb sein Blick an dem Energieanzeiger hängen. Der Pfeil zeigte auf null. Das war unmöglich. Er klopfte mit dem Finger gegen das Glas. »Da Hund he!« Er rannte in den Antriebsraum. Zum Herzstück seines Kunstwerks. Er war nicht nur auf eine revolutionäre Konstruktionsform gekommen, sondern hatte auch die Energiegewinnung, durch seine Erfindung, auf ein neues Level gebracht. Mit ihm würde ein neues, umweltfreundliches Zeitalter beginnen. Keuchend erreichte er den Antriebsraum und glotzte ungläubig durch das Fenster. »Wo is mei Germ?« Der Raum, in dem sich aktuell Millionen von Hefebakterien fröhlich vermehren sollten war leer. Ein einziger kleiner Hefewürfel spottete dem Betrachter.
Mit unterdrückter Wut fragte er in sein Mikro: »Wo ist die Hefe? Wo sind die 250 Kilogramm Hefe, die ich bestellt hatte?« – Keine Antwort. Im Beobachtungsraum machte sich Ratlosigkeit breit. Blicke wanderten umher. Und blieben auf dem Mann hängen, der nervös in seinem Sessel hin und her rutschte: »Ähm, ich dachte das war ein Scherz. Ein Versuch uns das Geld aus der Tasche zu ziehen. Wer braucht schon 250 Kg Hefe? – Hehe« Er lächelte gequält. Da niemand antwortete, fuhr er fort: »Soll ich kurz zu Lidl fahren und welche holen? Dort ist sie am günstigsten, hehe.« – Es knackte im Lautsprecher und Sepp Tschelisnig brüllte: »Jo, bitte moch des, du Trottl, du pleda. – Heit is Sunntog!!!« Und mit weinerlicher Stimme schloss er: »Und wast wos, du Tschriasche, murgen is a Feiatog…«