Das Görtschitztal, benannt nach der Görtschitz, einem Seitenfluss der Gurk, ist ein Nord-Südtal am Fuße der Saualm im Nord-osten von Kärnten/Koroška. Es erstreckt sich von Brückl im Süden über Eberstein und Klein St. Paul bis Hüttenberg im Norden, wo aus dem Zusammenfluss des Steirer- und Mosinzbachs die Görtschitz entsteht. Der Name leitet sich vom slowenischen Krčica ab und bedeutet kleine Gurk. Auf die einst slowenische Besiedlung verweisen zahlreiche Flur- und Ortsnamen, die auch vom Bergbau in dieser Region erzählen: Saualm, slow. Svinja planina = Bleialm oder Selesen, slow. Železno = Eisen

In der Tat ist das Görtschitztal von Bergbau, Industrie und Landwirtschaft geprägt: Das norische Eisen wurde bereits von den Römern verhüttet, die letzten Zechen in der Heft bei Hüttenberg stellten ihren Betrieb in 1980er Jahren ein. Den einstigen Knappen und ihren Nachfahren bleibt heute nur noch die Traditionspflege des vollständig erodierten Eisenbergbaus.
Im 20. Jahrhundert folgte der Ausbau der chemischen Industrie sowie die Nutzung des Kalkmergels für die Zementproduktion im Tal. Viele Bauern, die über Generationen die sonnseitigen Hänge der Saualm und der gegenüberliegenden Hügelkette in einer Seehöhe von etwa 800 Meter bewirtschaftet haben, verließen ihre Bauernhöfe, wurden zu Arbeitern und siedelten sich in den Orten am Talboden an. Die Erosion der bergbäuerlichen Almwirtschaft hält bis heute an und verändert auf lange Sicht durch zunehmende Verwaldung das Landschaftsbild.

Der Zerfall traditioneller Siedlungsstrukturen, die Auflösung sozialer Bindungen und die starke Abwanderung wurden in den letzten Jahrzehnten durch mehrere Umweltkatastrophen im Tal beschleunigt. Im Jahr 2014 kam die lebensbedrohliche Kontaminierung der Region durch Hexachlorbenzol (HCB) ans Tageslicht: Der Verzehr von eigenem Gemüse, regionalen Milch- und Fleischprodukten wurde verboten, ganze Ernten vernichtet, Vieh geschlachtet und entsorgt. In den vergangenen Jahren verließen mehr als 1000 Menschen das Tal, die verbleibende Bevölkerung schwankt zwischen Resignation, Angst um den eigenen Arbeitsplatz und Hoffnung auf Besserung durch umweltschützende Maßnahmen.
Im Spannungsfeld zwischen kulturellem Erbe — das Görtschitztal ist seit der Antike bevölkert — historischen Verwerfungen und sozialen Brüchen ist auch die künstlerische Arbeit von Werner Hofmeister angesiedelt. Seit Jahrzehnten betreibt der in Klein St. Paul geborene und dort lebende Künstler nachhaltige »Quellenforschung«, die in Form von Zeichnungen, Metallobjekten, Rauminstallationen und Videoarbeiten im örtlichen Museum für Quellenkultur und im angrenzenden Skulpturenpark gezeigt werden.
Das einzigartige Museum ist Schlusspunkt und Ziel eines mehrstündigen künstlerischen Pirschgangs: Die Route führt durch ebenso gesichtslose wie grellfarbene Siedlungen im Tal zu alten Bauernhöfen auf den Hängen des Ratten- und Sittenbergs und wird durch Wegweiser von Werner Hofmeister markiert. Literarische Kettenreaktionen und beschwörende Textkaskaden von Bodo Hell sowie musikalische Miniaturen begleiten das Publikum entlang des Weges und bringen die Widersprüchlichkeit zwischen scheinbar intakter und latent kontaminierter Landschaft zum Ausdruck.