Zu Rande Kommen
Eine Fuß- und Bahnreise von Ljubljana zum Meer

I. Weggang
Wanderung von Ljubljana nach Notranje Gorice
An der Ljubljanica
 
Am Wege
Pot spominov in tovarištva
Grün-weiß lackierte Wegweiser mit der lapidaren Aufschrift pot (Weg, Pfad) und einem roten Stern in der Mitte kennzeichnen einen 33 km langen Gedenkweg rund um Ljubljana. Er erinnert an die Okkupation der Stadt durch Mussolinis Truppen im Jahr 1941, in deren Folge Lubiana, so die italienische Ortsbezeichnung, mit einem durchgehenden Stacheldrahtzaun entlang der Außenbezirke von seinem Umland abgeschitten wurde. Ziel der Maßnahme war es, den Kontakt der Stadtbevölkerung mit den sich am Land formierenden Partisanen zu unterbinden und zugleich die Widerstandsgruppen in der Stadt selbst zu schwächen. Die Errichtung des »Verteidigungsringes«, für den eine 80 m breite Schneise durch die Peripherie geschlagen und teilweise vermint wurde, nahm fast ein ganzes Jahr in Anspruch und ging mit dem Bau von über 100 Bunkeranlagen sowie zahlreichen Wachtürmen und einigen wenigen Grenzübergängen einher. Die Bewachung oblag 1.300 Soldaten und 400 Polizisten, die jede Person penibel kontrollierten, die die Stadt betreten oder verlassen wollte. Willkürliche Anhaltungen und Verhaftungen standen auf der Tagesordnung; wer sich verdächtig machte, wurde nach Italien deportiert, sofern er nicht an Ort und Stelle erschossen wurde.
Das Amt des Bürgermeisters übertrugen die Italiener dem ehemaligen SHS-General Leon Rupnik, der später die faschistische slowenische Heimwehr kommandieren sollte. Rund 2.400 deutschsprachige Laibacher, so genannte »Volksdeutsche«, wurden gemäß des Hitler-Mussolini-Paktes nach Oberkrain und in die Untersteiermark umgesiedelt. Nach der Kapitulation Italiens im September 1943 brachten die Nationalsozialisten mit SS-General Erwin Rössler und Gauleiter Friedrich Rainer die Stadt unter ihre Kontrolle. Der Terror gegen die Bevölkerung erreichte mit Massenverhaftungen, Deportationen und Geiselerschießungen einen neuen Höhepunkt. Obwohl sich zu diesem Zeitpunkt die gesamte Region (einschließlich des Küstenlandes) in deutscher Hand befand, blieb die »italienische« Provincia di Lubiana formal bis Kriegsende bestehen. Auch der Stacheldrahtzaun fiel erst am 9. Mai 1945, was von der Stadtbevölkerung, die 1.170 Tage eingeschlossen gewesen war, stürmisch gefeiert wurde.
12 Jahre später wurde mit der Umgestaltung des ehemaligen »Todesstreifen« zur begehbaren Gedenkstätte begonnen. Der Startschuss erfolgte im Rahmen des Festivals für Körperkultur, das vom Veteranenverband der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee (Zveza borcev narodno osvobodilne vojne) ausgerichtet wurde. 74 Mannschaften, die verschiedene Berufs- und Altersgruppen repräsentierten, beteiligten sich an einem Wettlauf entlang der Zauntrasse und demonstrierten den »gemeinsamen Willen zu Frieden und Fortschritt«. Noch im selben Jahr wurde die Laufstrecke von der sozialistischen Stadtverwaltung zum nationalen Symbol erklärt und der Beschluss gefasst, jährlich am 9. Mai einen Erinnerungsmarsch abzuhalten.
Der Ausbau des Weges zur gepflegten, vier Meter breiten Promenade sollte fast 30 Jahre dauern. Zum Einsatz kamen dabei vor allem Jugendbrigaden und Freiwillige, aber auch geistig Behinderte im Rahmen sozialer Beschäftigungsprogramme. In 330.000 Arbeitsstunden wurden 7.400 Bäume gepflanzt, fast 1.000 Rastbänke aufgestellt und über 100 Gedenksteine errichtet, die die einstigen Bunkeranlagen der Besatzer markieren. Dazu kamen dutzende Informationstafeln zur Geschichte des Weges, der im Laufe der Jahre gleich mehrmals seinen Namen wechselte. So hieß die pot anfänglich »Stacheldrahtweg«, später »Partisanenpfad« oder »Weg der Befreiung«, um schließlich in »Pfad der Erinnerung und Kameradschaft« umbenannt zu werden. Gebräuchlich ist auch die Bezeichnung »Grüner Ring«, die für den Abschnitt entlang des Kanals Mali Graben besonders zutreffend ist. Hier befindet sich auch eine große moderne Backsteinsiedlung, die in den 1980er Jahren für politische Funktionäre und Manager staatlicher Betriebe errichtet wurde und ein architektonisches Juwel darstellt. Seit 1988 steht der Weg unter Natur- und Denkmalschutz; ob er tatsächlich, wie von Touristikern behauptet, »Europas größte Gedenkstätte« ist, sei dahingestellt.
Der jährliche Volkslauf auf der pot erfreut sich bis heute großer Beliebtheit und hat seinen sozialistischen Leitgedanken auch nach dem Zerfall Jugoslawiens bewahrt. So sind beim so genannten Dreierlauf, bei dem alle Mitglieder einer Mannschaft gleichzeitig ins Ziel kommen müssen, nicht nur Kraft und Ausdauer, sondern auch Solidarität mit dem jeweils schwächsten Läufer gefordert.

Ljubljansko barje | Laibacher Moor | Palude di Lubiana