Obwohl allgegenwärtig, bleiben Hochspannungsleitungen weitgehend unsichtbar. Sie führen über weite Strecken durch unbewohntes Gebiet, werden teilweise unterirdisch geführt und sind auf Straßenkarten nicht eingezeichnet. Zudem gelten sie als hässlich und stehen sie für rücksichtslose Landschaftszerstörung und unkontrollierten Ressourcenverbrauch. Hochspannungsleitungen können aber auch als Symbole für Vernetzung, Energieausstausch und Zusammenhalt betrachtet werden, die – aus entsprechendem Blickwinkel – auch ihren ästhetischen Reiz haben. Diese verdanken sie nicht zuletzt dem Umstand, dass Starkstromleitungen »singen« und damit Assoziationen zu Notenlinien (Leiterseile), Noten (Isolatoren) und Taktstriche (Masten) wecken. UNTER STROM nimmt diese Überlegungen zum Ausgangspunkt für ein länderübergreifendes Musikprojekt, das entlang einer zusammenhängenden »Stromautobahn« zwischen Athen und Lissabon entwickelt wird.
Die Nationalitäten der beteiligten MusikerInnen und KomponistInnen ergeben sich aus dem Verlauf der Trassen und Schneisen, über die die betreffende Leitung geführt wird. Sie verläuft – in diesem Fall – von Griechenland über Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien, Österreich, Schweiz, Frankreich und Spanien nach Portugal, also durch zehn Staaten, die zugleich die Spielorte des Projektes sind. Die Aufgabe der eingeladen MusikerInnen steht darin, sich jeweils vor Ort an einen »Taktstrich« (möglichst abgelegenen Masten) zu begeben, und das vorgefundenen Klangmaterial (den Grundton der Leitung sowie die Umgebungsgeräusche) zu einem Musikstück zu verarbeiten und den Prozess auch fotografisch zu dokumentieren. Zu dieser geografischen Vorgabe kommt das thematische Anliegen: die »singenden Drähte« als (symbolisches) Transportmittel für akustische Botschaften zu verstehen und den eigenen musikalischen Beitrag als Teil einer gemeinsamen Komposition anzulegen. Ziel ist die Generierung eines »völkerverbindenden Grundtons«, d. h. eines experimentellen Musikstückes bzw. einer Klanginstallation, das als Zeichen der Solidarität mit den derzeit übel beleumundeten »Südstaaten« aufgefasst werden kann. Dazu bieten sich auch entsprechende Texte zur Vertonung an.
Die Präsentation des Gesamtkunstwerkes erfolgt auf drei Ebenen: Erstens in Form einer Live-Uraufführung unter freiem Himmel; zweitens mittels einer CD; drittens mit einem Katalog, das den Entstehungsprozess mittels Fotos, Texten und einer Übersichtskarte dokumentiert.

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