Mit der Tranvia nach Triest
 
Tranvia di Opicina | Openski tramvaj
 

Die Straßenbahnlinie ist heute weniger ein Massenverkehrsmittel als ein Kulturdenkmal. Seit 1902 verbindet sie das Hinterland mit dem Triestiner Zentrum. 1913 zählte man 460.000 Fahrgäste. Unter der Woche pendelten slowenische Hafenarbeiter und Hausbedienstete ein, am Wochenende strebten Ausflügler bergwärts und ins Freie. Daran erinnern sogar einige slowenische und italienische Volkslieder. In einem, das ein zwar spektakuläres, aber harmloses Bremsversagen in den Anfangszeiten besingt, wird die Straßenbahn sogar mit der Bora, dem Fallwind, verglichen. Volkstümlich nennt man die Linie 2 überhaupt il tram, auch deshalb, weil sie als einzige von einem ausgedehnten Netz mit zehn Linien übriggeblieben ist. Teile des Wagenmaterials kann man im Eisenbahnmuseum am Campo Marzio in Triest bewundern. Museal, aber neu restauriert sind die Wagen der Line 2: Fünf Triebwagen aus dem Jahr 1935, zwei aus dem Jahr 1942 und ein original wiederhergestellter Wagen aus dem Eröffnungsjahr bewältigen auf 5,7 km Streckenlänge 340 Höhenmeter. Dass die Wagen Führerstände vorne und hinten, aber nur auf einer Seite Türen haben, ist eine straßenbahnerische Besonderheit. Bergwärts gesehen befinden sich alle Haltestellen links. Von der Piazza Oderdan fährt man rumpelnd durch enge Straßenschluchten, die an eine südamerikanische Stadt denken lassen. An der Station Piazza Scorcola wird hinten ein flacher, von einem zwischen den Geleisen laufenden Seil gezogener Wagen angekoppelt. Während dieser, vom Fahrer ferngesteuert, den Triebwagen hochschiebt, wird am anderen Ende des Seils der von der Station Vetta Scorcola kommende Gegenzug von einem ebensolchen, vorne angekoppelten Wagen gebremst. Damit zur Standseilbahn geworden, überwindet die Tram 26 % Steigung auf 800 m Länge. Diese etwas zeitraubende Operation gibt auch den 20minütigen Rhythmus des Fahrplans vor. Dann geht es rasch in einem weiten Bogen auf einer Überlandstrecke mit einer maximalen Steigung von 8 % voran: Rechts wurden schon zuvor der monströse Bau der Universität und große Teile des Zentrums sichtbar, links funkelt jetzt das Meer herauf. Vorbei an der Haltestelle beim Obelisken erreicht man die Endstation, in der sich auch Remise und Werkstatt befinden, und nimmt einen Kaffee in der netten Bar alla Tranvia, in der man auch informative Bücher zur Lokalgeschichte erstehen kann. (wb)


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